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Der Treibstoff der Zukunft?

Demnächst könnte ein leistungsstarker Biokraftstoff verfügbar sein

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Pirelli pflegt seit Jahren eine enge Partnerschaft mit der Princeton University. Als ein Beispiel für die bahnbrechenden Forschungsarbeiten der Universität erläutert Assistenzprofessor José Avalos, warum der Treibstoff der Zukunft aus einem Bottich und nicht mehr aus einem Bohrloch kommen soll.

Der treibstoff der zukunft?
Der treibstoff der zukunft?

Pirelli pflegt seit Jahren eine enge Partnerschaft mit der Princeton University. Als ein Beispiel für die bahnbrechenden Forschungsarbeiten der Universität erläutert Assistenzprofessor José Avalos, warum der Treibstoff der Zukunft aus einem Bottich und nicht mehr aus einem Bohrloch kommen soll.

Als Kraftstoff für ein Automobil ist Benzin nur schwer zu schlagen. Es ist billig, überall verfügbar und liefert aufgrund seiner Energiedichte ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als jede andere Alternative.

Gleichwohl versuchen einige Wissenschaftler, gleichwertige Alternativen zu entwickeln, um auf diese Weise die Nachteile zu vermindern, die mit der Gewinnung und Nutzung des Benzins einhergehen: insbesondere CO2-Emissionen und dadurch verursachte Umwelt- und Klimaschäden. Zu diesen Wissenschaftlern gehört Assistenzprofessor José Avalos an der Fakultät für Chemie- und Bioverfahrenstechnik der Universität Princeton sowie das Andlinger Center for Energy and the Environment.

José Avalos befasst sich intensiv mit Biokraftstoffen, die aus biologischen Quellen stammen. Einige davon, darunter der Biodiesel, stammen aus den Ölen von Pflanzen wie Raps. Andere Biokraftstoffe, für die sich José Avalos in erster Linie interessiert, werden gebraut. Dazu gehört Ethanol, der aktuell am weitesten verbreitete Biokraftstoff. „Zahlreiche Hefen produzieren diesen Alkohol während der Gärung. Der größte Teil ihres Stoffwechsels dient also der Ethanol-Produktion“, erläutert der Wissenschaftler.

Konzentrierter Einsatz
Ethanol lässt sich nicht nur auf einfache Weise in großen Mengen herstellen, sondern kann zudem mit Benzin gemischt und in den gängigen Motoren verbrannt werden. Gleichwohl hat es einige Nachteile, die verhindern, dass Ethanol mehr als 15 Prozent des Kraftstoffbedarfs der Benzinmotoren ausmacht.

Zu den Nachteilen von Ethanol gehört seine Eigenschaft, ätzend zu sein. Zudem nimmt es auf natürliche Weise Wasser aus der Umgebungsluft auf. Beide Aspekte erweisen sich als problematisch für den Transport und die Lagerung des Kraftstoffs. 

Geeignete Kandidaten für den Ersatz von Ethanol sind schwere Alkohole wie Isobutanol und Isopentanol. Ihre Energiedichte kommt der von Benzin nahe. Und im Vergleich zu Ethanol kann es in einem deutlich höheren Verhältnis mit Benzin gemischt werden. „Schwere Alkohole könnten also dazu beitragen, einen größeren Anteil des aus Erdöl gewonnenen Benzins durch erneuerbare Biokraftstoffe zu ersetzen, ohne die gegenwärtig genutzten Motoren verändern zu müssen“, betont José Avalos

„Noch steht nicht endgültig fest, wie hoch der Anteil der schweren Alkohole in den Treibstoffmischungen sein kann. Dazu bedarf es weiterer Tests, aber ich wäre nicht überrascht, wenn der Anteil 90 Prozent oder mehr betrüge.“ 

Doch schwere Alkohole in großen Mengen herzustellen ist aufwändig, denn Hefe bildet bevorzugt Ethanol. „Wir müssen also die Zellen der Hefen dazu bringen, etwas anderes als Ethanol herzustellen", führt José Avalos weiter aus. Um das zu erreichen, hat er eine Methode entwickelt, die zwei verwandte Techniken kombiniert: das sogenannte metabolische Engineering und die gesteuerte Evolution.

Beim metabolischen Engineering geht es darum, die chemischen Prozesse in einer Zelle sowie die Gene, welche diese Prozesse steuern, derart zu manipulieren, dass die Zelle eine weitaus größere Menge einer Substanz produziert, als es normalerweise der Fall ist. Anders gesagt: Durch genetische Eingriffe wird der Stoffwechsel eines Organismus derart verändert, dass technisch nutzbare Varianten der natürlicherweise gebildeten Produkte entstehen, die sich durch bestimmte Eigenschaften auszeichnen. „Hefe ist dafür ein großartiger Organismus, mit dem man sehr gut arbeiten kann“, wie José Avalos hervorhebt. Und das nicht nur, weil Hefe seit vielen Jahrzehnten bereits sehr sorgfältig untersucht wird und es mittlerweile ausgezeichnete genetische Werkzeuge gibt, um ihre Stoffwechselprozesse zu steuern. Hinzu kommt, dass sie quasi ein industrielles Arbeitspferd ist. Sie erweist sich als erheblich toleranter gegenüber giftigen Alkoholen als andere industrielle Wirtstoffe und ist heute bereits die Grundlage für den Großteil der Bioethanol-Industrie.

José Avalos und seinem Forschungsteam wissen genau, welche Produkte in jeder Phase eines Stoffwechsels entstehenden und welche Enzyme diese Reaktionen so steuern, das dabei neue Moleküle produziert werden. Und sie verfügen über die erforderlichen Werkzeuge, um die Enzyme entsprechend zu modifizieren. So gelang es ihnen, die enzymatischen Reaktionen in den Zellen der Hefe zu in ihrem Sinne zu verändern.

„Hefe bekämpft ständig unseren Wunsch, Alternativen zu Ethanol herzustellen“, betont José Avalos. „Wir müssen also Stämme entwickeln, die an der Herstellung von schweren Alkoholen ebenso interessiert sind wie an der Herstellung von Ethanol. Dieses Ziel könnten wir erreichen, indem wir das metabolische Engineering mit der sogenannten gerichteten Evolution kombinieren. Das bedeutet: Wir versuchen, Hefestämme genetisch so zu verändern, dass sie bestimmte Enzyme überproduzieren und zugleich die Produktion der Enzyme einstellen, die Ethanol produzieren.“

Durch die kontinuierliche Züchtung neuer Hefestämme arbeiten die Wissenschaftler an einer Version, die immer weniger Ethanol und dafür immer mehr schwere Alkohole produziert. Das erfordert das kontinuierliche Hinzufügen, Löschen und Verändern von Genen, um die Hefe über viele Zwischenstadien schließlich zu veranlassen, die Produktion von Isobutanol oder Isopentanol im Laufe der Stoffwechselprozesse zu vervielfachen. Die Arbeiten verlaufen sehr gut, so dass José Avalos demnächst Ergebnisse in Fachzeitschriften veröffentlichen wird.

Vielleicht werden in einem Jahrzehnt Isobutanol und Isopentanol aus Zapfanlagen fließen. Die Umstellung könnte relativ schnell erfolgen, weil der starke Einsatz von Ethanol bereits eine Infrastruktur in der Benzinlieferkette geschaffen hat, welche den Umstieg auf einen besseren Biokraftstoff wesentlich erleichtert. 

Pirelli startete 2014 seine Partnerschaft mit der Princeton University. Es ist eine von 14 Universitäts-Kooperationen, die das Unternehmen bislang zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung gegründet hat.