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Sebastian Vettel: ein Weltmeister mit polarisierender Karriere

Nach vier aufeinanderfolgenden Titeln mit Red Bull folgte für Vettel eine komplexe und unglücklich verlaufende Ehe mit Ferrari. Sie fiel zeitlich mit der Dominanz von Mercedes in der Hybrid-Ära zusammen

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Zwei Welten und fast auch zwei verschiedene Leben. Hätte die Karriere von Sebastian Vettel Ende 2013 geendet, sie wäre wirklich kometenhaft verlaufen. Damals, als er gerade seinen vierten Titel in der Tasche hatte, sah seine Leistungsbilanz so aus: 39 Siege in 120 Rennen. Das wäre der perfekte Stoff für eine Motorsport-Legende gewesen. Doch dann kam das nächste Kapitel: Von den folgenden 123 Grand Prix-Rennen gewann Vettel nur 14. Das drückte die Gesamtbilanz auf bescheidenere 53 Triumphe in 243 Rennen. Ja, die Zahlen sind immer noch beeindruckend, aber nicht mehr bahnbrechend.

Diese Verschiebung kann nicht nur auf die relative Leistung seines Ferrari zurückzuführen sein, mit dem Vettel seit seiner Ankunft in Maranello Anfang 2015 insgesamt 14 Rennen gewonnen hat. Seine Saison 2014, in der er noch bei Red Bull fuhr, war bereits durchwachsen. Das Auto dominierte nicht mehr wie in den vier vorangegangenen Jahren: Nur drei Siege erzielte das Team in diesem Jahr, und alle drei gingen auf das Konto seines neuen Teamkollegen Daniel Ricciardo. Mercedes hatte sich mit Beginn der Formel-1-Hybrid-Ära eindrucksvoll an die Spitze gesetzt.

Sebastian Vettel wurde am 3. Juli 1987 in Heppenheim geboren und bereits früh mit Michael Schumacher verglichen. Auch der siebenfache Formel 1 Weltmeister hatte seine Karriere im Alter von acht Jahren im Kartsport begonnen. Beide Fahrer zeigten während ihrer gesamten frühen Laufbahn herausragende Leistungen. Schumacher, zu jener Zeit bereits zweifacher F1-Weltmeister mit Benetton, begann, sich für Vettels Karriere zu interessieren, als dieser im Kartsport aufstieg. Von da an ging es Schlag auf Schlag: Vettel wechselte 2003 in die Formel BMW und holte sich im folgenden Jahr mit 18 Siegen in 20 Rennen den Titel. Zu jener Zeit war er noch keine 18 und ohne Führerschein. Folglich musste sein Vater Norbert, ein unermüdlicher Fan, das Familienauto und seinen Sohn von Veranstaltung zu Veranstaltung fahren.

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Im Jahr 2005 debütierte Vettel in der Formel 3 Euro Serie und wurde Vierter. Doch vor allem bekam er die Gelegenheit, in einem privaten Test den Williams-BMW FW27 F1 zu fahren: Das war sein Preis dafür, dass er im Jahr zuvor die Formel BMW gewonnen hatte. 2006 wurde er zweiter in der Euro Serie und machte seine ersten Schritte in der Formel Renault 3.5. Dort gewann er im folgenden Jahr das erste Rennen. Dann rief die Formel 1: Vettel blieb bei BMW und saß beim Großen Preis der Türkei 2006 Ende August im zweiten freien Training am Steuer eines Saubers mit BMW-Antrieb. Und er fuhr die schnellste Rundenzeit. Zwei Wochen später, in Monza, gelang ihm dasselbe. Sauber bestätigte ihn als ständigen Testfahrer für das folgende Jahr. Doch dann verletzte sich Robert Kubica in Kanada, worauf Vettel sein Grand-Prix-Debüt bereits in Indianapolis gab. Eine saubere, ausgereifte Fahrt brachte ihm den achten Gesamtrang und seine ersten WM-Punkte ein.

Das war der Zeitpunkt, zu dem Red Bull erstmals in sein Leben trat. Vettels solide Leistung in Amerika war nicht unbeobachtet geblieben. Toro Rosso - das Satelliten-Team des österreichisch-britischen Kaders - bot ihm einen Platz an, um Scott Speed für den letzten Teil der Saison 2007 zu ersetzen: Trotz seines vielversprechenden Nachnamens verließ der US Amerikanische Fahrer die F1 und kehrte nicht zurück.

Beim Großen Preis von Japan 2007 zeigten sich erstmals die beiden Seiten von Vettels künftigem Schicksal. Bei sintflutartigen Regenfällen kam er bis auf wenige Zentimeter an das Podium heran und bewies im Nassen enormes Selbstvertrauen. Doch dann wurde er von Mark Webber (der damals für Red Bull fuhr) während einer Safety-Car-Phase aus dem Rennen bugsiert. Unter Tränen kehrte Vettel an die Box zurück. Doch beim darauf folgenden Großen Preis von China belegte er einen hervorragenden vierten Rang, der ihm für 2008 einen festen Platz bei Toro Rosso einbrachte.

Das sollte Vettels Jahr des Durchbruchs werden. Seine meisterliche Fahrt in Monza, wieder unter monsunartigen Bedingungen, bescherte dem Deutschen seinen ersten Formel 1 Sieg, zugleich der erste und einzige für das ehemalige Minardi-Team. Und nicht nur das: Vettel wurde mit 21 Jahren und 73 Tagen jüngster Grand-Prix-Sieger aller Zeiten. Diesen Rekord verlor er 2016 an Max Verstappen, denn der Niederländer gewann den Großen Preis von Spanien im Alter von 18 Jahren und 228 Tagen. Doch die Leistung Vettels in Monza ebnete ihm den Weg ins Red Bull Hauptteam. Dort wurde er Teamkollege von Mark Webber und erzielte immer bessere Ergebnisse: 2009 holte Vettel zwei Siege, vier zweite Plätze und kam drei Mal als Dritter ins Ziel. Am Ende der Saison belegte er den zweiten Platz in der Fahrerwertung, gemeinsam mit Jenson Button, dessen Brawn GP während der gesamten ersten Saisonhälfte unschlagbar war.

Der Rest ist Geschichte. Vettel holte sich 2010 in Abu Dhabi seinen ersten Titel. Dabei nutzte er einen taktischen Fehler von Ferrari, um Fernando Alonso die Meisterschaft vor der Nase wegzuschnappen. Eine perfekte Strategie von Red Bull und eine Portion Glück gehörten auch dazu. Der Deutsche wurde mit 23 Jahren und 134 Tagen jüngster Weltmeister aller Zeiten. Dieser Rekord hat bis heute Bestand. 2011 verteidigte er seinen Titel dank eines weiteren Autos der Superlative von Red Bull. Sein drittes Championat sicherte er sich 2012 nach einem erneuten Duell mit Alonso - und das, obwohl er durch ein paar unverschuldete Zwischenfälle gehandicapt wurde. Seine vierte Meisterschaft fuhr er 2013 ein. Vettels Fortschritte schienen unaufhaltsam zu sein: In vier Jahren holte er 448 Punkte mehr als sein Teamkollege Webber, was ihn auf die Straße zu echtem Ruhm führte.

Nach Fangio in den 1950-er Jahren und Schumacher mit Ferrari in den frühen 2000-er Jahren war es Vettel gelungen, vier Weltmeisterschaften in Folge zu gewinnen. Aufgrund dieser außergewöhnlichen Zahlen wurde Vettel schon bald als einer der Allzeit-Größen des Sports bezeichnet. Doch im Jahr 2014, als die Formel 1 in die Hybrid-Ära eintrat, schlug seine Karriere eine andere Richtung ein. Mercedes fuhr an die Spitze (und hat sich dort bis heute etabliert) während Vettel nicht ein Rennen gewann. Sein Teamkollege Daniel Ricciardo hingegen siegte drei Mal. Das machte den Australier de facto zur Nummer eins bei Red Bull.

Infolgedessen wechselte Vettel zu Ferrari und ersetzte dort Alonso, der zu McLaren gegangen war. Wir wissen, wie es weiterging. Insgesamt 14 Rennsiege mit dem springenden Pferd brachten Vettel bis heute nicht wirklich in die Nähe eines Titelgewinns. Jeweils fünf Siege in den Jahren 2017 und 2018 sicherten ihm in der Meisterschaft nur zwei zweite Plätze hinter Lewis Hamilton. Mehr nicht. Am 3. Juli 2020 feierte Vettel seinen 33. Geburtstag in Österreich auf dem Red Bull Ring, wo die am stärksten beeinträchtige Weltmeisterschaft in der Geschichte der Formel 1 startete. Es ist für ihn die letzte Saison mit Ferrari, denn die Scuderia tritt im nächsten Jahr mit Carlos Sainz Junior als Partner von Charles Leclerc an.


SEBASTIAN VETTEL - 3. Juli 1987
Rennen: 243 (Stand: 01. August 2020)
Pole Positionen: 57
Siege: 53
Titel: 4 (2010, 2011, 2012, 2013)