race

Keine Spice Girls und Gondeln mehr

Die meisten Formel-1-Teams sind heute der Meinung, es sei besser, eine Saison ruhig und maßvoll zu beginnen - einige allerdings können dem Hang zur Fanfare nur schwer widerstehen

Home race Keine Spice Girls und Gondeln mehr

Nein, im Zeitalter der Technologie und einer vergleichsweise hohen Sparsamkeit ist der Auftakt einer Formel 1 Saison schon seit Längerem nicht mehr mit dem Rummel vergleichbar, der in früheren Zeiten zu diesem Anlass veranstaltet wurde. Damals gab es noch spektakuläre Werbeaktionen, bei denen die Teams sich gegenseitig zu übertreffen suchten, um ihre Botschaften markig zu platzieren.

Show more images

So ließ Benetton es sich im Jahr 2001 nicht nehmen, den brandneuen B201 anlässlich seiner Vorstellung in Venedig mit einer Gondel herbeizuschaffen. Weniger spektakulär war hingegen der siebte Rang, auf dem das von Giancarlo Fisichella und Jenson Button gefahrene Modell am Ende der Saison in der Herstellerwertung landete.

Ein Jahr später versammelte der Rennstall Jordan zahlreiche Medienvertreter auf einem Flugfeld. Dort sahen sie ein Frachtflugzeug landen, welches das neue, von DHL gesponserte Auto anlieferte. Teamchef Eddie Jordan musste die Lieferung quittieren. Wahrscheinlich hat er sich später gewünscht, dieser Gag wäre nur eine Idee geblieben. Denn das Auto konnte in der Saison ganze neun Punkte in der Herstellerwertung sammeln. Erstaunlicher Weise reichten sie zu einem sechsten Platz.

Vielen noch gut in Erinnerung ist die Vorstellung des McLaren MP4/12 im Jahr 1997, garniert mit einem Showact der damals weltweit super-populären Spice Girls. Doch zum Jahresende sprang statt des erhofften Titels lediglich der vierte Platz in der Gesamtwertung heraus. 
Der Launch des Autos My Earth Dream von BAR-Honda fand im Jahre 2007 im Londoner Naturhistorischen Museum statt. Je weniger noch über den Event gesprochen wird, desto besser. Denn trotz vieler Versprechungen und eines üppigen Budgets beendete das Team die Saison auf dem letzten Platz.

Die Beispiele zeigen. Je spektakulärer ein neues Auto zu Saisonbeginn präsentiert wird, desto höher ist das Risiko, am Ende der Dumme zu sein, wenn die Endergebnisse so gar nicht zum Aufwand der Präsentations-Zeremonien passen. Und für ein Formel 1 Team gibt es nichts Schlimmeres, als dumm dazustehen. Nicht zuletzt aus diesem Grund verliefen die Vorstellungen der neuen Autos in den vergangenen Jahren deutlich unspektakulärer als zuvor. Häufig werden die Autos lediglich für eine Videobotschaft im Internet enthüllt, begleitet von einigen Ausführungen der Teamchefs über ihre Erwartungen hinsichtlich des Verlaufs der kommenden Saison.

Ein unvergesslicher Launch
Im Ranking der außergewöhnlichsten Auftaktveranstaltungen eines Teams rangiert folgender Event ziemlich weit oben. Er fand 1974 in einer vom Regen ebenso wie vom Adel geprägten Region Englands statt. In Easton Neston, nahe Silverstone gelegen, präsentierte Lord Alexander Hesketh im Stallgebäude seines herrschaftlichen Anwesens den Hesketh Racing 308, das erste maßgeschneiderte Auto des Teams Hesketh Racing, entworfen von Harvey Postlethwaite. In diesen alten Ställen entstand der Bolide, der aus unterschiedlichen Gründen erst in Südafrika an den Start ging und in der Saison 1974 lediglich zwei Grand Prix absolvierte. 

In jenen Tagen gab es zu derartigen Anlässen häufig Geschenke. So erhielten jene, die das Glück hatten, in Easton Neston dabei zu sein, eine Ausgabe der Erinnerungen des 24-jährigen Lord Hesketh mit dem Titel: Die stark zensierte Geschichte von Hesketh Racing. Einige dieser Bücher signierten Hesketh (der sich mit mehreren Whiskys auf die Gelegenheit vorbereitet hatte, wie seine weitschweifige Rede verriet), der Fahrer James Hunt sowie der berühmte Team-Manager 'Bubbles' Horsley. Manche Journalisten kehrten zudem mit einem Teddybären heim, das Maskottchen des Teams. Heutzutage können Journalisten von Glück sagen, wenn man ihnen einen kostenfreien Stift überlässt.

„Als ich in den Motorsport einstieg, hielten mich die meisten Leute für einen Witzbold mit viel Geld und erstaunlich wenig Grips", scherzte Hesketh in seinem Buch. „Doch diese Theorie ist mittlerweile in sich zusammengefallen. Weniger aufgrund der heroischen Bemühungen eines jungen Mannes namens James Hunt mit seiner langen Liste von Selbstmordversuchen im Rennwagen, auch nicht durch eine Figur, bekannt unter dem Namen Bubbles, die von Interpol in jedem Land gesucht wird, noch durch die Konstruktion des wahnsinnigen Postlethwaite. Sondern durch die Tatsache, dass ich Sie dazu verleitet habe, für diese unsinnige Veröffentlichung Geld zu zahlen."

Doch dieser Launch war nichts im Vergleich zu der Exzentrik, die das Team ein Jahr zuvor an den Tag gelegt hatte. 1973 ging Hunt noch mit einem Surtees T15 bei einzelnen Formel-2-Rennen für Hesketh an den Start. Als der Motor des Autos bei einem Rennen ausfiel, wurden die Mitglieder des Teams dabei beobachtet, wie sie in einem Kreis saßen und zum "Großen Huhn am Himmel" beteten, man möge einen anderen finden. Erstaunlicherweise funktionierte es. Ein amüsierter Max Mosley, verantwortlich für das rivalisierende BRM-Team, lieh ihnen einen Ersatzmotor. Hesketh Racing wurde schließlich BRM-Kunde und überlebte die Saison, um im kalten Januar 1974 ihr eigenes F1-Auto zu präsentieren.

Start zur Saison 2019
Doch kehren wir zurück ins Hier und Jetzt. Die diesjährigen Vorstellungen der neuen Autos begannen am 7. Februar, als Team Haas sein Auto enthüllte. Dank seines neuen Sponsors Rich Energy erinnert es an die Farben des John Player Special Lotus. William Storey, der extravagante CEO von Rich Energy, erschien in einem glänzenden lila Jacket und mit einem beeindruckenden, bis zur Brust reichenden Bart. Und ein wenig erinnerte er an Lord Hesketh, als er sagte, das Ziel seines Teams sei es, Red Bull in diesem Jahr herauszufordern. Das ist ein beachtlicher Anspruch, der im Widerspruch zu der inzwischen doch eher zurückhaltenden Natur eines Launchs steht.

Wer zuerst präsentiert, bekommt mehr Publicity. Andererseits wirkte sich diese Pole Position für Williams im vergangenen Jahr nicht weiter positiv aus. Auch das Team von Williams zeigt in diesem Jahr einen ganz anderen Look, denn das Telekommunikationsunternehmen Rokit löste Martini als Hauptsponsor ab. Sowohl Haas als auch Williams führten in diesem Jahr so genannte "Livree Launches" durch, bei denen zuerst die neue Farbgebung vorgestellt wird, und erst später das Auto. Die erste echte Markteinführung 2019 veranstaltete Toro Rosso am 11. Februar mit dem neuen STR14. Er ist mit einer erhöhten Anzahl Red Bull-Technologien ausgestattet.

Dennoch vermitteln die meisten Neuwagen dem Betrachter einen vertrauten Anblick, großen Überraschungen blieben aus. Das verstärkt den Eindruck des Understatements, der für die heutige Vorstellungen der neuen Autos einer Saison vorherrschend geworden zu sein scheint. Für viele dieser Präsentation wurden die Medien nicht einmal mehr eingeladen. Alfa Romeo (oder für Nostalgiker: Sauber) war das letzte Team, das am Ende des ersten Tages des offiziellen Formel 1-Tests in Barcelona die Verhüllung von seinem neuen Auto zog. 

Alles in Maßen scheint also die Botschaft der Zeit zu sein.