Was von Ayrton Senna in Erinnerung bleibt, ist dieses stille, fast selige Lächeln. Dazu ein in die Ferne schweifender Blick, als wäre er in direkter Zwiesprache mit einem Wesen, das sich in einer anderen, für uns unerreichbaren Sphäre befindet. Aber hinter seinen ruhigen Augen brannte ein unauslöschliches Feuer: Die Flammen ergriffen immer dann Besitz von ihm, sobald er zum Rennfahrer wurde, ins Cockpit glitt, das Steuer ergriff und sich auf die Strecke wagte. Dann strahlte er kraftvolle Emotionen aus, die selbst die Herzen jener Menschen erreichten, die keine Motorsportfans waren.
Vor diesem Hintergrund scheint es unglaublich, dass Ayrton am 21. März 2020 bereits 60 Jahre alt geworden wäre. Diese Vorstellung lässt sich kaum mit dem Bild des ewig jungen Fahrers vereinbaren, das wir 26 Jahre nach seinem tödlichen Unfall am 1. Mai 1994 in Imola immer noch in uns tragen.
Ayrton wurde in Brasilien als Sohn einer angesehenen, fast schon adeligen Familie geboren. Er erhielt eine klassische Ausbildung sowie eine religiöse Erziehung, die seine Einstellung bis zu seinem frühen Tod prägen sollte. Er hatte nur ein wirkliches Interesse: Rennfahren. Oder besser gesagt, die Geschwindigkeit. Er begann im Kartsport, wo er bereits früh Erfolge feierte. Anschließend ging er nach England, das Epizentrum des Motorsports für aufstrebende Fahrer. Sein Aufstieg durch die Serien war unaufhaltsam: Nach der Formel Ford kam er in die britische Formel 3, damals ein Schmelztiegel späterer Champions.
Er war noch keine 24 Jahre alt, als die prominentesten Formel 1 Teams begannen, sich für ihn zu interessieren und ihn zu Tests einzuladen. Doch als er zu Beginn der Saison 1984 in die Königsklasse wechselte, hatten McLaren und Williams kein Cockpit frei. So blieb Toleman die einzige Option für Senna. Der Rennstall war kein Spitzenteam, aber perfekt für Sennas damaliges Ziel, Schritt für Schritt voranzukommen.
Als er zum ersten Mal im Fahrerlager auftauchte, sah er noch jünger aus, als sein Geburtsdatum vermuten ließ. Die Fotos von Ayrton bei seinem ersten Grand Prix - unschuldig in einem schlichten weißen Overall, ein auffälliges Pirelli Logo auf der Brust - stehen in krassem Gegensatz zu dem Giganten, der sich einige Monate später beim Grand Prix von Monaco offenbarte. Bei diesem spektakulären Regenrennen demonstrierte er nachdrücklich, welche Fähigkeiten er besaß und was noch aus ihm werden sollte.
Sein Toleman, zweifellos ein Auto für die hinteren Plätze, wurde plötzlich zu einer Rakete: Diese zielte auf den McLaren von Alain Prost, in jenem Jahr das Auto, das es zu schlagen galt. Prost hatte Glück, weil die Rennleitung den Grand Prix vorzeitig abbrach. Dadurch konnte er McLaren gerade noch den Sieg sichern. Aber dieser Zweikampf lieferte bereits einen Vorgeschmack auf die epischen Duelle mit Senna, die wenige Jahre später einige der unvergesslichsten Kapitel der Formel 1 Geschichte schreiben sollten.
Der weitere Verlauf der Karriere von Ayrton Senna ist ein fester Bestandteil in den Geschichtsbüchern der Formel 1. Er wurde zur Bezugsgröße, wenn es um Geschwindigkeit ging. Insbesondere im Qualifying, in dem er unschlagbar war. 1985 fuhr er mit Lotus die ersten Siege ein, bevor er seine Erfolgsstory mit McLaren-Honda fortsetzte. Dort wurde er Teamkollege von Alain Prost, damals bereits zweimaliger Weltmeister. Doch der Brasilianer machte durch den sofortigen Gewinn seines ersten Titels deutlich, welche Absichten er hatte.
Von diesem Zeitpunkt an herrschte zwischen den beiden Piloten ein offener Krieg. Prost holte sich 1989 den Titel nach ihrer umstrittenen Kollision in Japan (Senna verließ daraufhin den Unfallort und stürmte wie von Dämonen getrieben zur Zielflagge). Nach diesem Rennen in Japan war ihr Wettstreit nicht länger ein sportliches, sondern ein persönliches Duell.
Anfang 1990 wechselte Prost zu Ferrari, während Senna bei McLaren blieb. In dieser Saison sollte erneut das Rennen in Japan den Titelkampf entscheiden. Prost erwischte im Ferrari den besseren Start, aber in der ersten Kurve kollidierte er mit Senna. Weil daraufhin beide Fahrer keine Punkte erzielten, wurde Ayrton Weltmeister. Nachdem der Brasilianer Ende 1991 den Titel zum dritten und letzten Mal gewonnen hatte, machte er ein bemerkenswertes Geständnis. „Vor einem Jahr kollidierte ich absichtlich mit Prost. Ich beschloss, dass ich ihn ausschalten würde, wenn er als Erster davonzöge. Ich hatte Gottes Erlaubnis, es zu tun." Man kann nicht über Senna sprechen, ohne sich an seine Mystik zu erinnern: Sie ist auch heute noch Teil seiner Legende.
Der Wettbewerbsvorteil verlagerte sich dann von McLaren zu Williams, dem Team, das Senna für seine nächste Karrierestufe ins Visier genommen hatte. Doch Prost kam ihm zuvor. Der Franzose sicherte sich 1993 mit Williams seinen vierten Titel. Als Senna dann ebenfalls zu Williams kam, schien das nächste Erfolgserlebnis programmiert zu sein. Doch zwei unerwartete Wendungen verhinderten das.
Die eine war der kometenhafte Aufstieg von Michael Schumacher, der seit geraumer Zeit als der nächste Senna gehandelt wurde. Die andere und endgültige war der scheinbar banale Unfall nach dem Neustart des Grand Prix von San Marino in Imola 1994. Die Williams prallten in der Tamburello-Kurve seitlich gegen die Außenwand, wobei der Crash auf den ersten Blick nicht übermäßig schwer aussah.
Doch das Gegenteil war der Fall. Ein Metallrohr, das den Lenkhebel bildete, brach im Kurveneingang ab und trug zum Unfall bei. Ein weiteres Rohr, ein Teil der vorderen rechten Aufhängung des Williams, wurde beim Aufprall weggeschleudert, durchbohrte Sennas Helmvisier und fügte ihm eine tödliche Verletzung zu.
Ayrton Senna starb 34 Jahre nach seiner Geburt am ersten Frühlingstag 1960. Seine Legende ist im Laufe der Zeit noch größer geworden und reicht bis zu unseren heutigen, unruhigen Frühlingstagen 2020.
AYRTON SENNA: geboren am 21. März 1960 - gestorben am 1. Mai 1994
Rennen: 161
Pole-Positionen: 65
Siege: 41
Titel: 3 (1988, 1990, 1991)