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Faszination Oldtimer: der betörende Charme der Alten

Warum entdecken immer mehr Menschen ihre Liebe zu Automobilen, die im vergan-genen Jahrhundert auf den Markt kamen? Der Vizepräsident des Weltverband der Oldtimerclubs und -verbände gibt Antworten

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Sie bieten geringen Komfort, haben kaum Fahrhilfen, verbrauchen ziemlich viel Ben-zin – und sind einfach bezaubernd: Autos aus längst vergangenen Jahrzehnten. Wessen Augen fühlen sich nicht magisch angezogen von einem Porsche 356, einer Alfa Romeo Giulietta oder einem Jaguar E–Type, um nur einige automobile Schmuckstücke der 1960er-Jahre zu nennen. Doch auch der Anblick weniger extra-vaganter Modelle wie der Fiat 500, der VW Käfer 1300 oder der Citroën 2CV berührt die Betrachter. Bei dem einen löst er wehmütige Kindheits- und Jugenderinnerungen aus, bei der anderen die Sehnsucht nach einer nicht selbst erlebten Epoche.

Diese Autos gelten nicht mehr als Mittel zum Zweck, schnell und trocken von A nach B zu gelangen. Vielmehr wandelten sie sich zu Kulturgütern, deren Besitz, Einsatz und Pflege den Eigentümern größte Freude bereitet. Vor diesem Hintergrund er-scheint es kaum verwunderlich, dass weltweit die Zahl der so genannten Old- und Youngtimer seit Jahren steigt. Als Oldtimer gelten Fahrzeuge, die vor mindestens 30 Jahren zum ersten Mal zugelassen wurden und sich in einem sehr guten Originalzu-stand befinden. Als Youngtimer bezeichnen Experten Autos, die 20 Jahre oder älter sind, aber noch nicht den Status des Oldtimers erreicht haben.

Faszination Oldtimer: der betörende Charme der Alten
Faszination Oldtimer: der betörende Charme der Alten

Der größte Markt für Old- und Youngtimer sind nach Angaben des AXA Classic Car Market Review 2019 die Vereinigten Staaten von Amerika. Dort gibt es schätzungs-weise 6,5 Millionen Sammlerstücke. Es folgt Europa mit geschätzten 4,8 Millionen dieser Autos, die sich auf die Hauptmärkte Deutschland (ca. 1,5 Millionen), Frank-reich (ca. 1,1 Millionen), Italien (ca. eine Million) und Spanien (ca. 400.000) verteilen. Die anderen europäischen Staaten steuern ungefähr 800.000 Automobile bei. 

In Deutschland gab es zu Beginn des Jahres 2020 erstmals mehr als eine halbe Mil-lion zugelassener Oldtimer, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) kürzlich mitteilte. Konkret handelt es sich um 525.968 Pkw, die 30 Jahre und älter sind. Das sind elf Prozent mehr als im Vorjahr (474.516). 

Ein Mann, den die positive Entwicklung der internationalen Oldtimer-Szene beson-ders freut, ist Professor Dr. Mario Theissen, Vizepräsident der Fédération Internatio-nale des Véhicules Anciens (FIVA). Der in Turin ansässige Weltverband der Oldti-merclubs und -verbände vertritt die Interessen von rund 1,5 Millionen Mitgliedern. Darüber hinaus ist Mario Theissen ehrenamtlicher Klassik-Referent und Mitglied im Sportausschuss des Allgemeinen Deutschen Automobil Clubs ADAC.

„Viele Jahre prägten Enthusiasten den Markt für klassische Fahrzeuge“, blickt er zu-rück. „Sie warteten oder restaurierten ihre Kostbarkeiten überwiegend in Eigenregie. Doch in den vergangenen zehn Jahren haben sich immer mehr Serviceangebote etabliert. Dadurch wurde der Markt für immer mehr Liebhaber von Old- und Y-oungtimern zugänglich und entwickelte sich zu einem wesentlichen Wirtschaftsfak-tor.“ Zudem sei auch die Zahl der Personen gestiegen, die klassische Fahrzeuge als Möglichkeit sehen, ihr Geld gewinnbringend zu investieren.

In einigen europäischen Ländern bestehen für Oldtimer mittlerweile günstige Rah-menbedingungen. So genießen sie in Deutschland in Verbindung mit dem H-Kennzeichen Sonderregelungen bezüglich der Kfz-Steuer sowie dem Fahren in den Umweltzonen. „Länderübergreifend kommt hinzu, dass immer mehr Automobilher-steller und Zulieferer sich verstärkt im Klassik-Bereich engagieren“, wie Mario Theis-sen betont. So auch Pirelli. Der Premiumhersteller ist seit März 2017 exklusiver glo-baler Reifen-Partner der FIVA. In dieser Funktion unterstützt das Unternehmen den technischen Beratungsdienst des Verbandes in sämtlichen Reifenfragen. Zudem stellt Pirelli hilfreiche Informationen zur Verfügung, die auf der FIVA-Website für alle zugänglich sind. Mario Theissen nennt die entscheidenden Kriterien für die Auswahl der Exklusiv-Partner: „Sie müssen mit ihren Produkten in der Klassik-Szene enga-giert sein, über eine hohe Reputation sowie den weltweiten FIVA Mitgliedern mit ih-rem Know-how als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.“

Welche reifenspezifischen Themen interessieren Oldtimer-Eigentümer besonders? Auch diese Frage kann der Vizepräsident der FIVA ausführlich beantworten: „Da ist zunächst die Reifencharakteristik. Auf Grund der geringen Jahresfahrleistung werden Oldtimer-Reifen oft nicht aufgrund ihrer Abnutzung ersetzt, sondern wegen der Alte-rung. Es geht also in diesen Fällen eher um den Erhalt der Haftungseigenschaften als um die Verschleißfestigkeit.“ Weitere Themen sind die richtige oder eine dem Original entsprechende Reifengröße, die Verfügbarkeit in Qualität und Quantität, die korrekte Lagerung demontierter Reifen und Räder sowie die korrekte Behandlung der am Fahrzeug montierten Reifen bzw. Räder, speziell bei längerem Nichtge-brauch. „Darüber hinaus sind Oldtimer-Fahrer an Reifen interessiert, die den aktuel-len Stand der Technik nutzen, aber zugleich auch mit dem Fahrwerk harmonieren und es nicht überfordern“, nennt Mario Theissen ein weiteres wichtiges Thema. 

Auf diesem Gebiet kann Pirelli mit der Pirelli Collezione punkten. Mit diesem speziel-len Portfolio reagiert der Konzern auf die kontinuierlich steigende Nachfrage der Ei-gentümer prestigeträchtiger Old- und Youngtimer nach modernen Reifen im Klassik-Look. Das Besondere dieser Reifen-Neuentwicklungen: Ihre Optik und ihr Laufflä-chen-Profil gleichen den historischen Pirelli Originalen, doch tatsächlich handelt es sich um Produkte moderner Spitzentechnologie. Um sie zu entwickeln, arbeiten In-genieure von Pirelli eng mit ihren Kollegen bei den jeweiligen Automobilherstellern zusammen. Auf diese Weise entstanden unter anderem Neuentwicklungen des Stel-vio Corsa für den Ferrari 250 GTO, des Cinturato P5 für den Jaguar XJ220, des Cin-turato CN36 für den Porsche 356, des Cinturato CA67 für die Lancia Flaminia, des Cinturato CN54 für den Fiat 500 und des P Zero für den Audi Quattro.

„Dieser von Pirelli und einigen Automobilherstellern eingeschlagene Weg ist der bes-te Ansatz für leistungsstarke Fahrzeuge und sollte auf weitere interessierte Hersteller ausgedehnt werden“, lobt Mario Theissen. „Zudem braucht es für den Volumenmarkt technologisch aktuelle Reifen mit klassischen Profilen, die nicht auf bestimmte Fahr-zeugtypen optimiert sind.“

Dass die Zahl der zugelassenen Old- und Youngtimer auch weiterhin wachsen wird, davon ist Mario Theissen überzeugt. „Aktuell dominieren Fahrzeuge aus den Jahren 1989/1990 den Zuwachs. Also hauptsächlich Modelle, die früher das Straßenbild ge-prägt haben und heute zum Teil zu Kultautos werden.“ Nicht zuletzt stehe der wach-sende Oldtimer-Anteil unter der Maxime „Erhalten geht vor Ersetzen“. Das sei nach-haltig und setzte einen Kontrapunkt zur Wegwerf-Mentalität.

Selbstverständlich spürt auch die Oldtimer-Szene die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. So konnte in Deutschland bislang keine der sonst zahlreichen Veranstal-tungen stattfinden, bei der mobile Schmuckstücke zu bestaunen sind. Doch was tun Oldtimer-Liebhaber, wenn sie ihre Lieblinge nicht präsentieren können? „Der schwunghafte Handel mit Ersatzteilen zeigt, dass vielen Fahrzeugen in der ausgefal-lenen Saison besondere Pflege zu Teil wurde bis hin zur Restaurierung“, weiß der VIFA-Vizepräsident aus zahlreichen Gesprächen. „Und als nationaler Arm der FIVA in Deutschland haben wir bei ADAC Klassik die Kontakte zu unseren Clubs vertieft“. Zum Beispiel mit gut besuchten online Seminaren, die Hilfestellung im Umgang mit der Situation anbieten.“

„Für 2021 laufen bei allen Veranstaltern die Planungen“, blickt Mario Theissen nach vorn. „Ich hoffe für die Organisatoren und Teilnehmer, dass der Verlauf der Pande-mie im nächsten Jahr wieder Messen, Concours und Oldtimer-Touren zulassen wird“. 

Damit wir bald wieder live dem betörenden Charme von Kultautos erliegen können wie die Iso Isetta (Knutschkugel genannt), der Austin Healey 3000, das Mercedes Benz 250 Coupé W 114, der BMW CSi, das Alfa Romeo 2000 GTV Coupé, der Ma-serati Biturbo, der Volvo B 1800 18 ES und der Ferrari 348.