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Eine perfekte Autofahrt

Autofahrten ähneln sich selten, wie also lässt sich die perfekte Fahrt beurteilen? Liegt es an der Strecke, dem Auto, den Mitreisenden oder an etwas ganz anderem? Ben Webb hat darüber nachgedacht, wie er das Fahrerlebnis bewerten kann.

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Was ist eine perfekte Autofahrt?

„Das ist die erstaunlichste Straße, die ich je gesehen habe“, keuchte Jeremy Clarkson ehrfürchtig, als der ehemalige Moderator der BBC Fernsehsendung Top Gear in einem glänzenden Aston Martin DBS Volante saß und hoch in den rumänischen Karpaten auf den Transfăgărășan Highway starrte. „Es ist, als wäre jede große Kurve jeder großen Rennstrecke der Welt zu einem endlosen grauen Band automobiler Perfektion zusammengefügt worden.“

Und er hat recht. Während der Motor des Aston Martin auf dem glatten, sich in satten Kurven durch die wunderschöne Landschaft ziehenden Asphalt zum Leben erwacht, kann man sich kaum ein schöneres Erlebnis vorstellen. Aber die perfekte Fahrt - das einzigartige Gefühl des Vergnügens, das Sie nur beim Autofahren bekommen - hängt nicht von den besten Autos und den schönsten Straßen ab. Eine Hitliste von Fahrten auf einsamen Inseln ist weitaus interessanter und demokratischer. Alles was Sie brauchen, ist ein Auto und ein Ziel.

Ich hatte auch das Glück, durch wunderschöne Gebirge zu fahren - Korsika, Marokko, Bosnien und Australien - und liebte jede Minute. Doch wie wäre es mit dem Nervenkitzel, unbekümmert über einen zugefrorenen schwedischen See zu sausen? Oder mit dem Citroën DS eines Freundes durch Paris zu gondeln? Oder mit einem VW Kombi an der Küste entlang zu tuckern? Oder, im scharfen Kontrast dazu, in schrecklichen Verkehr zu geraten, mit Schwitzen, Fluchen, Hupen und Wüten auf das Schicksal, um doch noch, gegen alle Widerstände, in letzter Sekunde zum Flughafen zu gelangen? Was für ein Gefühl! Das Adrenalin, der Sieg ... es muss so euphorisch sein wie der Gewinn eines Grand Prix!

Das perfekte Fahrzeug

Es besteht kein Zweifel, dass die perfekte Fahrt ein Auto mit der richtigen Form und der passenden Funktion erfordert. Seien es riesige, schöne Benzinschlucker, die eine alltägliche Reise in eine Filmszene verwandeln, oder schlanke und leise Elektroautos, die einen effizienten, ökologisch unschuldigen und vernetzten Transport ermöglichen. 

Nehmen Sie den klassischen amerikanischen Roadtrip: Die offene Straße erstreckt sich bis zum Horizont, die Hochebene, einsame Tankstellen, gewaltige Kakteen und natürlich ein Country-Western-Song im knisternden Radio. Die Wahl des Autos ist entscheidend, denn die Reise selbst ist ein ästhetisches Abenteuer, eine Kulisse für die anderen Hauptbestandteile wie Reisebegleiter, Zielort und Musik - nichts weniger als ein Mikrokosmos des Lebens selbst. Ein Klappverdeck ist ideal, ein riesiger donnernder Motor wünschenswert, viel Chrom und Weißwandreifen sind eine gute Wahl. Ein Chevy der Fünfziger vielleicht? Oder die Majestät eines schimmernden Airstreams?

Aber manchmal ist das Auto zweitrangig. Auf den kurvenreichen und unglaublich schmalen Straßen der erstaunlichen italienischen Amalfiküste war zum Beispiel ein Audi A1 Sportback perfekt. Kompakt genug, um am Gegenverkehr vorbeizukommen, sodass wir die Aussicht - das schillernde Med, die Dörfer auf den Klippen und die Haine mit den übergroßen Zitronen - genießen konnten, ohne Angst vor einem Verkehrsinfarkt oder einem drohenden Zusammenprall haben zu müssen. Für einen neunsitzigen Chevrolet Suburban war dort definitiv kein Platz.

Von A nach B kommen

Gelegentlich dreht es sich bei einer perfekten Fahrt um die einfachen Dinge, wie zum Beispiel zu einem bestimmten Zeitpunkt von A nach B zu gelangen. So an einem eisigen und stockdunklen Wintermorgen um 5 Uhr morgens zum Luton Airport. Grimmig für jene, die aus sonnigen Ferien zurückkehren, doch fantastisch für mich, der in einem warmen Auto sitzt - in diesem Moment fast der gemütlichste Ort der Welt - und darauf wartet, meine Tochter und ihre Freunde unter fröhlichem Gelächter nach Hause zu chauffieren.

Von Luton nach London geht es weder durch die Alpen noch entlang des Champs-Elysées, was nicht zuletzt im Dunkeln deutlich wird. Die Entfernung von 50 km ist zu kurz, um eine echte Herausforderung zu sein, aber doch lang genug, um sich zu ziehen und zu langweilen. Doch das Geplapper von glücklichen, erleichterten und dankbaren Freunden und Familienmitgliedern macht die Fahrt zu etwas ganz Besonderem. Fahrspaß muss nicht egoistisch sein.

Tatsächlich hängt eine perfekte Fahrt oft mehr von der richtigen Einstellung ab als von der richtigen Landschaft oder dem richtigen Auto. Das Pendeln durch geschäftige Straßen in der Stadt kann eine lästige Pflicht sein. Oder aber, für nachdenklichere und mental gut vorbereitete Menschen, eine seltene Gelegenheit, sich zurückzulehnen und ein Lieblingslied oder einen Podcast zu hören. Ob Antwerpen oder Zürich, der Standort spielt keine Rolle. Mehr noch: Wenn Sie sich entspannen und dem Körper erlauben, sich mit unbewusster Leichtigkeit zu bewegen – diese zufriedenstellende Choreografie der Koordination von Fuß, Hand und Auge –, dann ist es möglich, beim Fahren überall eine fast Zen-artige Ruhe zu erreichen.

Das sind in der Tat sehr gute Nachrichten. Die Möglichkeit, Freude am Fahren zu haben, ist endlos. Perfektion beruht nicht auf dem Einsatz von Formel 1 Technologie auf der Transfăgărășan-Autobahn – obwohl das fantastisch wäre –, sondern darauf, all die erstaunlichen Erlebnisse zu schätzen, die das Fahren bieten kann. Und das immer öfter zu tun.