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Peter Beard: das Leben als Kunstwerk

Der berühmte Fotograf Peter Beard starb im Alter von 82 Jahren. Der New Yorker lebte das Leben eines Genießers und liebte die Natur und Afrika. Beides brachte er im Pirelli Kalender 2009 zum Ausdruck

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Der Fotokünstler Peter Beard war sein ganzes Leben lang ein Risikofreak. Er reiste nonstop um die Welt und verbrachte einen Teil seines Lebens in Kenia. Von dort aus dokumentierte er die natürliche Schönheit Afrikas, aber auch die Umweltzerstörung auf dem Kontinent.

Er war für die Intensität seiner Werke bekannt. Seine Fotografien und Patchworks lesen sich wie ein Tagebuch. Darin erzählt er von der Schönheit und der beeindruckenden Poesie eines Kontinents, der vor der Modernisierung steht. Er fotografierte bis zur Taille im Sumpfwasser stehend mit blutenden Beinen, in einen kenianischen Sarong gehüllt. Er schwamm mit Krokodilen und riskierte 1996 bei einem Fotoshooting sein Leben, als er von einem Elefanten zertrampelt zu werden drohte. Beard, der bis an jedes Ende der Welt gereist war, ließ seine Wahrnehmungen in seine Fotografien einfließen. 

2008 verantwortete er das Konzept und die Aufnahmen des Pirelli Kalenders 2009, der 36. Ausgabe von TheCal. Die Aufnahmen fanden in Botswana statt, in der Region von der aquatischen Oase des Okavango-Deltas bis zu den trockenen Weiten der Kalahari-Wüste. Dort fotografierte Beard sieben Modelle und erzählte von einer Natur, die zugleich mächtig und verwundet ist. Und wie Fjodor Dostojewski glaubte er, dass "Schönheit die Welt retten wird".

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Die Frauen standen jeweils länger als eine Woche am Stück vor seiner Kamera, schlängelten sich an riesigen Dickhäutern entlang, kletterten auf Bäume und waren von Schlangen bedeckt. Sie verbrachten insgesamt 15 Tage am afrikanischen Set und liehen ihre Gesichter einer Sache, die zuerst Umweltschutz und dann selbstverständlich auch ästhetisch war. Sie vermittelten Peter Beards Botschaft von einer Menschheit, die sich selbst nicht zu retten vermag und in der Pracht der Natur nach der Wahrheit suchen muss.

Das Endergebnis war ein Kalender-Tagebuch, vom Fotografen selbst definiert als „lebende Skulptur" aus 56 Tafeln, Zitaten und Bemerkungen des Künstlers über die Umwelt und die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen: „Mein eigentliches Thema ist die Zerstörung der Natur im globalen Maßstab. Wir haben völlig aus den Augen verloren, dass sie die eigentliche Grundlage des Überlebens ist."

Seine Risikobereitschaft und seine Abenteuerlust ließen auch in seinem späteren Leben nicht nach, bis er am 22. Januar 2020 von seinem Anwesen auf den Klippen auf Long Island, New York, verschwand. Er wurde am 19. April 2020 im Camp Hero State Park, einem Naturschutzgebiet bei Montauk, tot aufgefunden, nachdem er drei Wochen vermisst worden war. Über die Todesursache ist nichts bekannt.

Peter Beard wurde am 22. Januar 1938 in New York City als Kind einer Familie der oberen Mittelschicht geboren. Nach seinem Abschluss in Kunstgeschichte an der Yale University lernte Peter Beard 1961 in Dänemark Karen Blixen kennen, die Autorin des Romans Out of Africa. Sie arbeitete bis 1962 mit ihm zusammen und inspirierte ihn zum Kauf einer Ranch in der Nähe von Nairobi, gebaut auf 45 Hektar Savanne in der Nachbarschaft der dänischen Schriftstellerin. Dort gab es nur die beiden, die großen Säugetiere Afrikas und eine Voigtländer-Kamera.

Während dieser Zeit befasst Beard sich mit der lokalen Fauna, die ihn seit seinem 17. Lebensjahr faszinierte. Während einer Ausstellung im Natural Museum of New York hatte sie ihn bezaubert. 1965 veröffentlichte er The End of the Game, eine Sammlung von Fotografien und Texten, die das Aussterben der Elefanten in Kenia und das Ende des Mythos von der Unverwundbarkeit der Natur dokumentierte. Von diesem Moment an nahmen seine Bilder eine überraschende, dramatische Wendung. Sie skizzierten und erzählten von einer neuen Realität, um den oft zu romantischen Schleier zu zerreißen, der bis dahin die Berichte über Afrika zu umhüllen schien. Die Elefanten auf seinen Schwarzweißfotos waren abgemagert, krank, hungrig und weit entfernt von den triumphierenden Geschöpfen vieler Fotografien, an welche die Welt gewöhnt war.

In den siebziger Jahren begann Beard allmählich, sein Leben zu einem wahren Kunstwerk zu machen. Es waren die Jahre des wilden Nachtlebens mit Andy Warhol und Truman Capote sowie der Tage, die er im Gespräch mit seinem engen Freund Francis Bacon oder in der Gesellschaft von Jacqueline Kennedy Onassis und ihrer Schwester Lee Radziwill verbrachte, zu der er eine leidenschaftliche Beziehung pflegte. Beard widmete sein Leben dem Abenteuer, der Exotik und dem ungezügelten Ästhetizismus. 

Seine Werke, präsentiert während seiner ersten Fotoausstellung 1975 in der Blum Helman Gallery in New York und später 1977 im International Center of Photography, wurden zu seinem Manifest. Gezeigt wurden afrikanische Artefakte, persönliche Erinnerungsstücke und selbstverständlich seine Fotografien, denen er, einer Marke nicht unähnlich, einen persönlichen Stempel aufdrückte. Er folgte den Rolling Stones auf ihrer Tournee. Er arbeitete mit Veruschka und teilte seine Aufmerksamkeit zwischen wilden Tieren und dem Dschungel der Society von Manhattan auf. Nie saß Peter Beard allein an seinem Tisch im Studio 54.

Er liebte die Gefahr und trotzte einer Kategorisierung. Seine Kunst lässt sich nur schwer einordnen, denn seine Fotografien sind anders, sind Bilder, Schriften, Gemälde, Zitate und riesige lebende Collagen. Animierte Beweise der Umwelt und des Schicksals des Planeten. Bis zum Schluss sammelte er Kieselsteine, Holzstücke, Schlangenhäute, Sand, Federn, Schmetterlinge, Knochen, Algen und Blut (darunter das von Ava Gardner, die, nachdem sie sich mit einem Glasstück geschnitten hatte, beobachtete, wie Peter Beard ein paar Tropfen sammelte und sie auf die Seiten eines Tagebuchs presste), um seine Werke zu schaffen.

Fetzen, Erinnerungen, Spuren erzählen von einem Leben, das Peter Beard in ein Kunstwerk und zugleich in ein Werk des Überlebens verwandelte. Seine Erinnerung hat sich überall eingedrückt, wie David Fahey, der Besitzer der Fahey Klein Gallery, es einmal erklärte: „Er hat sein Leben lang die Welt erforscht und hinterließ dabei überall Spuren von sich.“